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Laufen und Rückenschmerzen – eine "Hassliebe"?

Laufen ist weltweit eine der beliebtesten Sportarten. Obwohl Schmerzen im unteren Rückenbereich die häufigste Muskel-Skelett-Erkrankung sowohl in der Bevölkerung als im Sport darstellen, gibt es derzeit nur wenige Erkenntnisse über Prävalenz, Inzidenz und Risikofaktoren für Rückenschmerzen bei Läufern.

Wie gut oder schlecht ist Laufen für den unteren Rücken?

Schmerzen im unteren Rückenbereich stellen die häufigste Muskel-Skelett-Erkrankung sowohl in der Bevölkerung als im Sport dar. Dennoch gibt es derzeit nur wenige Erkenntnisse über Prävalenz, Inzidenz und Risikofaktoren für unteren Rückenschmerzen bei Läufern.
Die öffentliche Wahrnehmung des Themas Laufen und Rückenschmerzen ist sehr unterschiedlich, und es gibt viele falsche Vorstellungen und persönliche Überzeugungen.

Generell wird doch davon ausgegangen, dass das Laufen, insbesondere bei bereits bestehenden Rückenproblemen, eine große Belastung für die Bandscheiben und Wirbelkörper darstellt.

Mediziner, wie Physiotherapeuten, Orthopäden und Allgemeinmediziner, haben in der Regel eine differenzierte Meinung zum Laufen bei Rückenschmerzen. Ihre Meinung hängt oft von der Art der Rückenschmerzen, dem Gesundheitszustand des Patienten und dem Ausmaß ab, in dem der Patient an das Laufen gewöhnt ist. Aber auch sie betonen Vorsicht beim Aufprall, vorwiegend bei Patienten mit "schwachen Bandscheiben" oder anderen strukturellen Problemen.

Was sagt die Wissenschaft?

In einer Übersichtsstudie von Maselli et al. (2020) waren die meist gemeldeten Risikofaktoren: Laufen seit mehr als 6 Jahren; Body-Mass-Index > 24; überdurchschnittliche Körpergröße; unregelmäßiges Training;  eingeschränkter Hüftmobilität; Beinlängendifferenz; verkürzte ischiocrurale Muskulatur und eingeschränkte Mobilität der Lendenwirbelsäule (Beugung). Die letzten drei Faktoren hängen eng miteinander zusammen und sind zurückzuführen auf eine Dysfunktion des Hüftgelenks (Geraedts 2021).

Nach einer Befragung von 1218 italienischen orthopädisch-manipulativen Physiotherapeuten sind etwa 70 % der Meinung, dass Laufen kein relevanter Risikofaktor für das Auftreten von unteren Rückenschmerzen ist.
In einer Befragung von 2539 Läufern in einer anderen Studie, auch von Maselli (2012),gaben 22,6 % der Läufer an, im vergangenen Jahr unter Schmerzen gelitten zu haben. Die meisten Teilnehmer (77,0 %), die über LBP-Episoden berichteten, glaubten, dass diese nicht durch das Laufen verursacht wurden. Es wurden keine signifikanten Korrelationen zwischen unterm Rückenschmerz und demografischen Daten, Trainingsmerkmalen oder Lebensgewohnheiten festgestellt.

Thein-Nissenbaum et al. (2012) beschreiben die Behandlung einer Läuferin mit Hüft- und Schmerzen im unteren Rücken nach der Geburt durch ein Bewegungstraining, mit dem Ziel, die Laufform zu ändern. Die durch geschwächte Bauchmuskulatur sowie eine beeinträchtigte neuromuskuläre Kontrolle der Hüft- und Bauchmuskulatur (Beckenkontrolle) entstandene Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule nach der Geburt wird als Ursache dieser Hüft- und Rückenschmerzen gesehen. Die Läuferin unterzog sich einem dynamischen Stabilisierungstraining der Lendenwirbelsäule und einer Modifikation der Laufform, um die mechanische Belastung zu verringern.

Zusammenfassend verringerten sich die Schmerzen der Patienten beim Laufen um mehr als 50 %. Die Aktivität der Bauchmuskulatur nahm während des abdominalen Einzugsmanövers erheblich zu, was auf eine verbesserte Beckenkontrolle deutet. Damit nahmen auch der Beckenschiefstand und die Achsendrehung beim Laufen um 38 % bzw. 36 % ab. Das Laufpensum der Patientin erreichte wieder das Niveau vor der Verletzung (8,1-9,7 km, 3 Tage pro Woche), ohne Hüftschmerzen und mit minimalen Schmerzen im unteren Rückenbereich, und sie erreichte erfolgreich ihr Ziel, einen Halbmarathon nahezu schmerzfrei zu laufen.

Da es derzeit kein spezifisches Protokoll für die Behandlung von Läufern mit chronischen Rückenscherzen gibt, untersuchten Cai et al.(2017)  sowie Müller et al. (2015) den Effekt vom Einbeziehen von Übungen für die unteren Gliedmaßen und des Rumpfes in das konventionelle Training für die Lendenstrecker und die Lendenstabilisierung bei Freizeitläufern mit chronischen Kreuzschmerzen.
Aufgrund der überlegenen Effekte bei der Verbesserung der Lauffähigkeit, der Kniestreckkraft und des Laufverhaltens stellten sie die Beinmuskel-Übungstherapie als eine neue Option für die Behandlung von chronischen Rückenschmerzen vor.

Dasunspezifische,chronische Rückenschmerzen den Lendenlordosewinkel (LLW) tendenziell verringern bei sich wiederholenden Aktivitäten wie Gehen oder Laufen, stellten Simonet et al. (2020) fest. die größten Gruppenunterschiede traten bei 25 % und 70 % sowohl beim Laufen als beim Gehen  auf.

Bemerkung PhysioNovo: Aufgrund der Funktion des Hüftgelenks und der Lendenwirbelsäule ist es offensichtlich, dass die Motorik des Beckens und damit der Lendenwirbelsäule durch die Funktion des Hüftgelenks beeinflusst wird. Trainieren der motorischen Funktion des Beines in Form der Kräftigung der gesamten Beinmuskulatur in Kombination mit einer Verbesserung der Becken- und Rumpfkontrolle ergibt sich dann als eine effektive Option für die Behandlung von chronischen Rückenschmerzen, auch bei Läufern.  

Mein kürzlich erschienenes Buch "Trainingskonzeption für Patienten mit Rückenschmerz -PhysioNovo - Angewandte Rehabilitation und Sporttherapie" enthält weitere interessante Studien zum Thema Laufen und Rückenschmerzen. Außerdem wird ausführlich erklärt, wie eine (bereits geringe) Funktionsstörung der Hüfte zu einer unzureichenden motorischen Funktion des Beins, des Beckens und der Lendenwirbelsäule und damit zu Rückenschmerzen führen kann.

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