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Wie wirksam ist die Wirbelsäulenchirurgie bei der Behandlung von Rückenschmerzen?

Die Zahl der operativen Eingriffe an der Wirbelsäule hat sich seit 2007 um 71 Prozent erhöht. Aber wie erfolgreich sind sie?

Evans et al. (2022) untersuchten die Rolle von Wirbelsäulenchirurgie bei der Behandlung von lumbalen Rückenschmerzen und kamen zu folgenden Schlussfolgerungen:  

  • Die Wirbelsäulenchirurgie könnte eine Rolle spielen bei der Linderung von radikulären  Schmerzen und Behinderungen die aus einer Nervenkompression resultieren, oder wenn die Rückenschmerzen auf Krebs, Infektionen oder grobe Instabilität zurückzuführen sind.
  • Für alle anderen Formen von Rückenschmerzen gibt es keine klinischen Daten, und die breitere Evidenzbasis für Wirbelsäulenchirurgie für die Behandlung von LBP ist dürftig und deutet darauf hin, dass sie ineffektiv ist.
  • Zu den sich abzeichnenden Bereichen von Interesse gehört die Auswahl einer Minderheit von Patienten, die von einer Operation profitieren könnten, anhand der Wirbelsäulenausrichtung und/oder nuklearmedizinischen Scans, aber ein klinischer Beleg ist nicht vorhanden.
  • Die Zahl der Wirbelsäulenoperationen bei Rückenschmerzen hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen, und zwar unverhältnismäßig stark bei privat versicherten Patienten, sodass der Beitrag der Industrie und Drittanbieter zu diesem Anstieg sorgfältig geprüft werden muss.

PhysioNovo Hinweis: Radikuläre Schmerzen sind den Symptomen eines bereits fortgeschrittenen Stadiums der Hüftarthrose sehr ähnlich. Eine Wirbelsäulenoperation kann dann als symptomatische Behandlung einer arthrotischen Hüfte angesehen werden und kann in spezifischen Fällen kurzfristig Linderung bringen. Die motorische Untersuchung der WS und der Hüfte sollte dann zu einer korrekten Diagnose führen.

Es gibt nur wenige randomisierte Studien, die zeigen, dass nur ein Teil der Patienten mit bestimmten Verfahren nach einer Wirbelsäulenoperation gut leben kann. Das ist ein schwacher Trost für die Mehrheit der Patienten, die nach der Operation nicht gesund werden, Komplikationen erleiden oder die gleichen oder sogar mehr Symptome haben.
Dhillon 2016: Da Operationen häufig aufgrund von Symptomen durchgeführt werden und eine eindeutige pathoanatomische Diagnose fehlt, sind die Ergebnisse oft schlecht und das Risiko von Ungenauigkeiten hoch.  Daher ist es wichtig, Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die für eine Rückenoperation in Frage kommen, sorgfältig auszuwählen.
Brox et al. 2009: Nach 2 bis 4 Jahren sind chirurgische Eingriffe in etwa 90 % der Fälle nicht wirksamer als eine Bewegungstherapie.
Fritzell et al. 2001: Bei einer gut informierten und ausgewählten Gruppe von Patienten mit schweren chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich führt die lumbale Fusion zu einer wirksameren Schmerzreduzierung und Verringerung der Behinderung als die übliche nichtoperative Behandlung.
Chou et al. 2009: Ein chirurgischer Eingriff bei ausstrahlenden Beschwerden (Radikulopathie) mit Bandscheibenvorfall und symptomatischer Spinalkanalstenose kann im Vergleich zu einer nicht-chirurgischen Therapie kurzfristig (2 bis 3 Monate) von Vorteil sein, nach einer langfristigen Nachbeobachtung nimmt der Nutzen jedoch deutlich ab. Bei nicht radikulären Rückenschmerzen mit häufigen degenerativen Veränderungen ist eine Wirbelversteifung nicht wirksamer als eine intensive Rehabilitation mit kognitiver Verhaltensmodifikation zur Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung.
Bogduk und Andersson 2009: Die Ergebnisse der gut dokumentierten klinischen Studien zeigen, dass nur ein kleiner Teil der Patienten von einer Wirbelsäulenoperation profitiert. Da es keine Belege für eine wirksame Wirbelsäulenchirurgie gibt, ist eine sorgfältige Auswahl der Patienten mit chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich, die für eine Operation in Frage kommen, von entscheidender Bedeutung.
Machado et al. 2015 bestätigen Zweifel an der Wirksamkeit der chirurgischen Behandlung von Spinalkanalstenose.

Literatur:

  • Evans L, O’Donohoe T, Morokoff A, Drummond K (2022) The role of spinal surgery in the treatment of low back pain. Medical Journal of Australia published by John Wiley & Sons Australia, Ltd on behalf of AMPCo Pty Ltd.
  • Fritzell P, Hägg O, Wessberg P, Nordwall A (2001) Swedish Lumbar Spine Study Group 2001 Volvo Award Winner in Clinical Studies: Lumbar fusion versus nonsurgical treatment for chronic low back pain: a multicenter randomized controlled trial from the Swedish Lumbar Spine Study Group. Spine. 2001;26:2521–32. doi: 10.1097/00007632-200112010-00002. 
  • Machado GC, Ferreira PH, Harris IA, Pinheiro MB,  Koes BW, van Tulder M, Rzewuska M, Maher CG, Ferreira ML (2015) Effectiveness of Surgery for Lumbar Spinal Stenosis: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS One. 2015; 10(3): e0122800. doi: 10.1371/journal.pone.0122800 PMCID: PMC4378944. PMID: 25822730
  • Bogduk N, Andersson G (2009) Is spinal surgery effective for back pain? F1000 Med Rep. 2009; 1: 60.  doi: 10.3410/M1-60 PMCID: PMC2948294 PMID: 20948720)
  • Brox JI, ystein Nygaard Ø P, Holm I, Keller A, Ingebrigtsen T, Reikerås O (2009) Four-year follow-up of surgical versus non-surgical therapy for chronic low back pain. Ann Rheum Dis 2010;69:1643–1648. doi:10.1136/ard.2009.108902.
  • Dhillon KS (2016) Spinal Fusion for Chronic Low Back Pain: A “Magic Bullet” or Wishful Thinking? Malaysian Orthopaedic Journal 2016 Vol 10 No 1.
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