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Kann ich mit einem Gelenkersatz wieder Sporttreiben und körperlich arbeiten?

Eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist, aber gleichzeitig gut nachvollzogen werden kann. Sport und körperliche Aktivität sind für viele Menschen von großer Bedeutung, da sie das Wohlbefinden fördern und positive psychologische Effekte haben, ebenso wie die physischen Vorteile körperlicher Betätigung.

Inwieweit ein Hüft-, Knie- oder Sprunggelenkersatz durch intensive, körperlich anstrengende Tätigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Freizeit (z. B. durch Sport) belastet werden kann und welches Risiko besteht, dabei die Prothese zu schädigen, wird in der Medizin kontrovers diskutiert.

Entwicklung der Gelenkersatzchirurgie

Mit der Weiterentwicklung der Gelenkersatzchirurgie und ihrer Anpassung an eine jüngere Bevölkerung beschränken sich die erwarteten Ziele und Ergebnisse dieser Operationen nicht mehr ausschließlich auf Schmerzlinderung und eine verbesserte Lebensqualität. Die Erwartungen der Patienten sind gestiegen und umfassen auch ein aktiveres Leben sowie die Rückkehr zu ihrem früheren sportlichen Niveau.

Totalgelenkersatz und die arbeitende Bevölkerung

Die arbeitende Bevölkerung stellt einen erheblichen Anteil der Patienten mit einem Gelenkersatz dar. Laut dem National Registry of England and Wales waren zum Zeitpunkt der Operation 40 % der Patienten mit einem Hüftgelenkersatz und 32 % der Patienten mit einem Kniegelenkersatz jünger als 65 Jahre. Die Rückkehrrate zur Arbeit lag bei Patienten mit einem Gelenkersatz (Hüfte oder Knie) bei 91 % – nach durchschnittlich 6,4 Wochen für Hüftprothesen und 7,7 Wochen für Knieprothesen.
Die Rückkehrrate zum Sport lag laut einer systematischen Übersichtsarbeit, die 10.758 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 61,7 Jahren umfasste, zwischen 54 % und 98 %. 

Empfehlungen zu sportlichen Aktivitäten

Aktivitäten mit geringer Gelenkbelastung wie Golf, zügiges Gehen und Straßenradfahren sowie einige mit mittlerer Belastung, darunter Skifahren und Gewichtheben, wurden von Ärzten der Hip Society in Wales empfohlen. Dagegen wurden Aktivitäten mit hoher Belastung, wie Joggen, Kontaktsportarten und Snowboarden, eher abgelehnt. Es bleibt unklar, warum Skifahren als akzeptabel gilt, Snowboarden jedoch nicht – möglicherweise aufgrund der Altersstruktur der Patienten.

Im Allgemeinen werden mindest 10.000 Schritte pro Tag empfohlen, um die gesundheitlichen Vorteile körperlicher Aktivität zu erreichen und aufrechtzuerhalten.

Postoperative Belastung und Risiken

Es gibt begrenzte Hinweise darauf, dass postoperative Aktivitäten (Arbeit oder Freizeit) das Risiko einer erneuten Knieoperation nicht erhöhen und möglicherweise sogar schützend wirken könnten. Während "schwere Arbeit", landwirtschaftliche Tätigkeiten und – bei Frauen – Arbeit im Gesundheitswesen mit einem höheren Risiko für Prothesenversagen in Verbindung gebracht werden, fehlen qualitativ hochwertige Belege dafür, dass körperlich anstrengende Berufe oder intensiver Sport dieses Risiko signifikant erhöhen.

    Sport treiben mit einer neuen Hüfte

    Ob Patienten mit einem Hüftgelenkersatz wieder laufen können, hängt zunächst davon ab, ob sie vor der Implantation gelaufen sind oder versucht haben, dies zu tun.

    Viele Patienten können nach einer Hüftprothese weiterhin laufen. Frühere Bedenken, dass sich die Implantate durch Sport abnutzen könnten, konnten nicht durch Literatur belegt werden. Neuere Studien zeigen keine erhöhten Ausfallraten bei sportlich aktiven Patienten.
    Zudem haben moderne Implantatdesigns und -materialien (z. B. roboterassistierte und anteriore Hüftprothesen) die Stabilität und Haltbarkeit erhöht, was zu einer verbesserten sportlichen Belastbarkeit führt.

    Einige Studien berichten, dass bis zu 100 % der Patienten nach einer Hüftprothesenoperation zum Sport zurückkehren können, während andere Studien dies nur für 40 % der Patienten bestätigen. Eine sorgfältige Analyse der Lebensumstände und Aktivitätsziele des Patienten ist daher notwendig.
    Körperliche Aktivitäten mit hoher Intensität und hohem Verletzungsrisiko (z. B. Mixed Martial Arts) sollten vermieden werden. Die meisten Patienten können jedoch joggen, schwimmen, gelegentlich Fußball spielen, Tennis spielen oder Ski fahren, ohne die Hüftprothese vorzeitig zu verschleißen.

    In der Regel erfolgt die Rückkehr zum Sport 4–6 Monate nach der Operation.

    Sport treiben mit einem neuen Knie

    Die European Knee Association, eine Abteilung der European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery and Arthroscopy, hat Empfehlungen für 47 Sportarten nach einem Kniegelenkersatz ausgearbeitet. Diese wurden in vier Zeiträume unterteilt:

    • Bis 6 Wochen nach der Operation: Gehen, Treppensteigen, Schwimmen, Aquafitness und statisches Radfahren.
    • 6–12 Wochen nach der Operation: Zusätzlich Radfahren auf ebenem Gelände und Bodengymnastik.
    • 3–6 Monate nach der Operation: Tennis-Doppel, Golf, Fitness/Gewichtheben, Aerobic, Wandern, Nordic Walking und Segeln.
    • Ab 6 Monaten nach der Operation: Steigende Vielfalt an Aktivitäten, während Squash nicht empfohlen wurde.

    Die Empfehlungen zeigen, dass die Belastung und Anzahl der zugelassenen Sportarten im Laufe der Genesung schrittweise steigen.

    Von Ultramarathonläufern, die zwischen 2015 und 2017 an mindestens einem der fünf Ultratrail du Mont Blanc-Läufe in Frankreich (zwischen 55 und 300 km) teilnahmen, musste einer der vier Läufer, die mit einem Knieersatz liefen, sein Rennen beenden. Diese Abbrecherquote von 25 % (zugegebenermaßen bei einer sehr kleinen Stichprobe) ist im Vergleich zu der Gesamtabbrecherquote von 19,6 % unter den 3 171 befragten Läufern, die an einem Rennen teilgenommen haben, positiv zu bewerten.

    Keiner der vier Läufer mit einer Kniegelenkprothese berichtete vor, während oder nach dem Rennen über negative Symptome im Zusammenhang mit dem Knie, während einige der Läufer, die eine Hüftprothese hatten, über solche Symptome berichteten.

    Auch für durchschnittliche Freizeitläufer ist es möglich, nach einer Knieprothese wieder zu laufen. Von insgesamt 4.074 Patienten, die eine Knieprothese erhalten hatten, haben 23 von insgesamt 131 Läufern nach der Operation wieder mit dem Laufen begonnen.

    Offensichtlich kehren nicht alle Läufer nach einer Knieprothese zum Laufen zurück. Ob sie nach ihrem Knieersatz körperlich nicht in der Lage waren zu laufen, und/oder ob sie Angst hatten, ihr neues Knie zu beschädigen oder zu verschleißen, ist unklar.

    Ob Laufen das künstliche Kniegelenk abnutzt ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Obwohl Experten der Meinung sind, dass stark belastende Aktivitäten das ersetzte Gelenk schneller abnutzen können, gibt es dafür keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Belege. Es gibt kaum Studien, die die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf den Prothesenverschleiß untersucht haben.

    Schulterprothetik

    Da immer mehr Menschen eine Schulterprothese erhalten, wird zunehmend Wert darauf gelegt, dass auch sie danach wieder Sport treiben können.

    Die Rückkehr zum Sport hängt entscheidend von der Art des Schulterersatzes ab.
    Zum einen gibt es die anatomische Schulter-Totalendoprothese, bei der sowohl die Kugel (Oberarmkopf) als auch die Gelenkpfanne (Glenoid) des Schultergelenks durch künstliche Komponenten ersetzt werden. Diese Art des Ersatzes wird in der Regel bei Patienten mit schwerer Arthrose, aber intakter Rotatorenmanschette durchgeführt. Etwa 77–90 % der Patienten mit einer solchen Prothese kehren innerhalb von 6 bis 9 Monaten erfolgreich zu irgendeiner Form von Sport zurück.

    Zum anderen gibt es die umgekehrte oder inverse Schulterarthroplastik, bei der die Kugelkomponente auf dem Schulterblatt (Glenoid) platziert wird und die Pfanne am Oberarmknochen (Humerus) befestigt ist. Dieses Verfahren wird bei Patienten mit schwerer Arthrose in Verbindung mit großen, irreparablen Rissen der Rotatorenmanschette angewendet. Etwa 65–75 % der Patienten mit einer solchen Prothese können den Sport nach 6 bis 9 Monaten wieder aufnehmen – allerdings mit der Einschränkung, dass Überkopfbewegungen erheblich schwieriger ausführbar bleiben.

    Ähnlich wie bei Hüft- und Knieprothesen hat das Aktivitätsniveau vor der Operation einen großen Einfluss auf die Genesung. Auch das Alter spielt eine bedeutende Rolle: Patienten über 65 Jahre müssen mit einer längeren Erholungsphase rechnen.

    Sportarten mit geringer Belastung wie Golf, Schwimmen und Radfahren sind im Allgemeinen eine sichere und effektive Möglichkeit, nach der Operation aktiv zu bleiben. Dagegen stellen Sportarten, die dynamische Bewegungen, Überkopfbewegungen oder schweres Heben erfordern – wie Tennis, Basketball und Gewichtheben – eine größere Herausforderung dar. Sie belasten das Schultergelenk stark und erhöhen das Risiko von Komplikationen, weshalb sie für Patienten, die ihre neue Schulter nicht gefährden wollen, weniger geeignet sind.

    Die Berücksichtigung dieser Faktoren hilft den Patienten, sich realistische Ziele zu setzen, und kann den Genesungsprozess reibungsloser gestalten, sodass sie einen aktiven und gesunden Lebensstil beibehalten können.

    Sprunggelenkprothetik

    Dauerschmerzen im Sprunggelenk haben überwiegend eine traumatische Ursache mit letztendlich Arthrose zur Folge. Nur in manchen Fällen sind diese Schmerzen auf rein arthrotische Veränderungen zurückzuführen.

    Nachdem konservative Maßnahmen zur Behandlung ausgeschöpft sind, stehen zwei Optionen zur Verfügung: der Einsatz eines künstlichen Sprunggelenks oder die operative Versteifung oder Arthrodese. Obwohl die Arthrodese des Sprunggelenks in der Vergangenheit als Goldstandard galt, haben Fortschritte im Implantatdesign und Operatonstechnik, bei den funktionellen Ergebnissen den totalen Ersatz des oberen Sprunggelenks zu einer überzeugenden Alternative gemacht. Insbesondere in den letzten 20 Jahren hat der totale Sprunggelenkersatz enorme Innovationen erfahren, und das Forschungsgebiet dieses Verfahrens wächst weiter. Dennoch muss festgestellt werden, dass die insgesamt geringe Anzahl an oberen Sprunggelenkersatzoperationen in Deutschland im Vergleich zu Hüft- und Kniegelenkersatzoperationen vermutlich bei etwa 1.500 bis 2.000 liegt. 

    Die Patienten, die sich einer primären Sprunggelenkersatzoperation unterzogen, wiesen bei einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 10 Jahren allgemein verbesserte Funktionen des Sprunggelenks auf mit einer akzeptablen Komplikationsraten sowie Haltbarkeitsraten von 66 –90 %.  Bei den Patienten, bei denen ein Implantatversagen auftrat, reichte die durchschnittliche Zeit bis zum Versagen von 4,6 bis 13,8 Jahren. 

    Rückkehr zum Sport und zur körperlichen Arbeit

    Nach einer angemessenen Heilungs- und Schonphase erlangen die meisten Patienten auch ihre Sportfähigkeit zurück: Bergauf- und Bergabgehen, Treppen steigen, Gehen und Laufen auf unebenem Untergrund sowie Schwimmen, Wandern, Radfahren und Skifahren sind für den Großteil der Prothesenträger mittelfristig kein Problem mehr. Die Teilnahme an belastenden Sportarten wie Tennis, Fußball und Laufen war nach der Operation durchweg eingeschränkt.

    Take-Home-Message

    • Die Erwartungen der Patienten an einen totalen Gelenkersatz gehen über Schmerzkontrolle und Lebensqualität hinaus und umfassen auch sportliche Aktivitäten.
    • Eine präoperative Beratung ist wichtig, um realistische Erwartungen zu setzen und Enttäuschungen zu vermeiden.
    • Die Abnutzungsrate hängt von der Aktivität, der Gelenkbelastung und dem betroffenen Gelenk ab.
    • Ärzte empfehlen zunehmend Aktivitäten mit geringer und mittlerer Belastung, während Sportarten mit hoher Belastung weiterhin kontrovers diskutiert werden.
    • Es gibt keine klaren Beweise dafür, dass Laufen eine Knie- oder Hüftprothese abnutzt oder beschädigt. Das bedeutet aber nicht, dass Laufen mit einem Knie- oder Hüftgelenkersatz sicher ist.
    • Die meisten Experten sind sich jedoch einig, dass Patienten mit einem neuen Knie oder einer neuen Hüfte unter bestimmten Bedingungen nach sechs Monaten zum Sport zurückkehren können.

    • Im Bereich des Sprunggelenks mangelt es an größeren, langfristig nachuntersuchten Fallzahlen sowie an prospektiven, randomisierten Studien, um eine Aussagekraft zu erreichen, die mit der für Hüft- und Kniegelenke vergleichbar wäre. Genaue Prognosen zur sportlichen Aktivität nach einer Sprunggelenkersatzoperation sind daher schwer zu treffen, sodass Zurückhaltung geboten ist.

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